BILD veröffentlicht Fotos von Geflüchteten. Das LG Frankfurt spricht von „Steckbrief“ und „Internetpranger“ und verbietet diesen Journalismus.
Wir vertreten drei Geflüchtete aus Somalia, die am 09.05.2025 an der deutsch-polnischen Grenze einen Asylantrag gestellt haben. Gegen ihre am gleichen Tag erfolgte Zurückweisung haben sie sich vor dem Verwaltungsgericht Berlin erfolgreich gewehrt. Das Gericht hat die Zurückweisung für rechtswidrig erachtet und entschieden, dass ihnen die Einreise nach Deutschland zu gestatten ist.
BILD hat die Entscheidung des Verwaltungsgericht Berlin in einem Beitrag redaktionell thematisiert und diesen Beitrag, in der Anmutung eines „Steckbriefs“ mit Bildnissen unserer Mandanten illustriert.
Die Veröffentlichung der Bildnisse unserer Mandanten ist grob rechtswidrig. Das Landgericht Frankfurt hat auf unseren Antrag hin und nach Anhörung und sorgfältiger Auswertung der von Axel Springer bei Gericht eingereichten umfassenden Stellungnahme, der BILD im Wege der einstweiligen Verfügungen die weitere Veröffentlichung der Bildnisse unserer Mandanten untersagt. Zu Recht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung. Hieraus folgt das Recht auf Anonymität und insofern das Recht, mit welchen Lebensumständen und Lebensdaten auch immer, in selbstgewählter Anonymität zu verbleiben. Auch der Schutz vor einer personenbezogenen Berichterstattung und Verbreitung von Informationen, die geeignet sind, die Persönlichkeitsentfaltung erheblich zu beeinträchtigen und sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit, auszuwirken, ist durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet. Schließlich umfasst das Persönlichkeitsrecht auch das Recht am eigenen Bild und ist die Veröffentlichung eines Bildnisses grundsätzlich von der Einwilligung des Betroffenen abhängig. Liegt diese nicht vor, kann die Veröffentlichung nur zulässig sein, wenn das Bildnis ein zeitgeschichtliches Ereignis dokumentiert und der Veröffentlichung keine berechtigten Interessen des Betroffenen entgegenstehen.
Allerdings ist weder das Recht auf Anonymität noch das Recht am eigenen Bild schrankenlos gewährleistet und lässt sich hieraus kein umfassendes, absolutes Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person ableiten. Umgekehrt jedoch, lässt sich aus dem Recht der Berichterstattung über zeitgeschichtliche Umstände nicht zwangsläufig das Recht ableiten, unter Aufhebung der Anonymität Einzelner zu berichten.
Zumal – und hierauf hat das Landgericht zutreffend hingewiesen – der BILD das Recht, umfassend über die Einreise der „drei Somalier“ und deren rechts- und gesellschaftspolitischen Implikationen auch kritisch zu berichten“ durch den von uns gestellten Antrag auf Schutz der Anonymität überhaupt nicht abgesprochen wurde. Die Möglichkeit, sich inhaltlich mit dem Verfahren und den damit verbundenen gesellschaftlichen und rechtlichen Implikationen zu befassen, wird nicht einmal tangiert.
Insofern waren die sich gegenüberstehenden Positionen gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung waren nicht zuletzt auch die Erwägungen des OLG Frankfurt zu berücksichtigen, wonach „dem Persönlichkeitsrechtsschutz […] grundsätzlich Vorrang einzuräumen [ist], wenn die Darstellung eine Bloßstellung bewirkt, ohne dass es auf die betroffene Person ankommt.“ Das OLG Frankfurt geht im Rahmen einer solchen Abwägung der Frage nach,
„ob über das berechtigte Interesse an dem den Gegenstand der Berichterstattung bildenden Geschehen hinaus ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der konkret handelnden Person besteht. Eine Identifizierung ist nur dann erlaubt, wenn gerade der Name oder die Identität des Betroffeneneinen eigenen Informationswert besitzen und zudem gerade hieran ein öffentliches Informationsinteresse besteht“ (OLG Frankfurt NJW-RR 2016, 1381)
In Ansehung dessen hat das Landgericht Frankfurt das Interesse unserer Mandanten am Schutz ihrer Anonymität und am Schutz ihres Rechts am eigenen Bild höher und vorrangig vor den Interessen der BILD gewichtet, unsere Mandanten dem Leser auch im Bild vorzuführen und diese damit praktisch zur „Fahndung auszuschreiben“. Im Rahmen einer Berichterstattung über ein Verwaltungsverfahren ist an der Identität eines Asylsuchenden nicht ernsthaft ein öffentliches Informationsinteresse auszumachen.
Konkret führt das Landgericht in der Abwägung aus:
„Die angegriffene Berichterstattung nutzt in stigmatisierender Weise das Einzelschicksal der Antragstellerin als Projektionsfläche für eine Auseinandersetzung mit einer allgemeinen politischen Debatte (deutsche Asylpolitik), indem sie die Antragstellerin an einen „Internet-Pranger“ stellt. Schon zu Beginn des Betrags werden die „drei Somalier“ und damit auch die Antragstellerin aus Sicht eines durchschnittlichen Rezipienten vergleichbar mit einem Steckbrief abgebildet und abwertend als „Migranten-Trio“ bezeichnet, das sich unbeschadet einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung illegal in Deutschland aufhalte.“
Soweit in diesem Zusammenhang vorgebracht wird, es gebe in Bezug auf die von uns vertretene Somalier eine anderslautende Entscheidung des LG Berlin, so ist dies unrichtig. Das LG Berlin hat sich mit dem hier streitgegenständliche Foto der Somalierin nie befasst. Die Entscheidungen des LG Frankfurt, u.a. Az. LG Frankfurt 2-03 O 261/25, sind nicht rechtskräftig.