Ist es OK, wenn die BILD unter der Überschrift „Eintracht-Präsi Fischer – Sohn (13) mit Koks erwischt“ über ein Ermittlungsverfahren berichtet, dass die Staatsanwaltschaft gegen Peter Fischer, seinen 25 Jährigen Sohn wie auch gegen seine Ehefrau eingeleitet hat? Natürlich nicht!
Schon selbsterklärend ist es bereits bemerkenswert rechtswidrig, dass die BILD in Bezug auf ein 13-Jähriges, strafunmündiges Kind, auf Seite 1 der Bundesausgabe der BILD den Verdacht erweckt, es sei „mit Koks erwischt“, bzw. „auf dem Schulhof mit Kokain erwischt“ worden. Zwar wurde der Name des Kindes nicht erwähnt. Trotzdem ist das Kind erkennbar dargestellt worden. Ausreichend hierfür ist es bereits, wenn sich die Erkennbarkeit aufgrund der mitgeteilten Umstände ergibt (BVerG 1 BvR 263/03). Dies ist hier der Fall. Schließlich werden das Alter des Kindes, sein Geschlecht, Name und Funktion des Vaters und als Wohnort, die Wohnung des Vaters im Stadtteil Westend in Frankfurt am Main mitgeteilt. Auch ist von dem 25-Jährigen Bruder die Rede. Das gesamte schulische, familiäre und gesellschaftliche Umfeld des Kindes weiß genau, um wen es sich handelt. Nach höchstrichterlicher, zig-fach bestätigter Rechtsprechung: Das reicht (u.a. BGH VI ZR 122/04). Mit Blick auf das Kind von Peter Fischer ist ohne weiteres von einer schwerwiegenden, grob rechtswidrigen Berichterstattung auszugehen, die neben Unterlassungsansprüchen auch noch eine hohe Geldentschädigung nach sich ziehen dürfte. Dies nicht zuletzt auch deswegen, als die Behauptung, es sei auf dem „Schulhof mit Kokain erwischt“ worden, unwahr ist.
Aber auch die Berichterstattung über Peter Fischer, über seinen namentlich nicht genannten 25-Jähriger Sohn, wie auch über seine Ehefrau, sind rechtswidrig.
Hierbei wird natürlich nicht verkannt, dass Peter Fischer, ein meinungsstarker, bundesweit bekannter weltoffener Leader eines der größten Sportvereine in Deutschland ist.
Doch maßgeblich zu berücksichtigen ist zunächst, dass die BILD lediglich über den Beginn eines Ermittlungsverfahrens wegen Besitzes von Rauschgift berichtet, welches gegen drei Personen allein deshalb eingeleitet wurde, weil sie in einer Wohnung gemeldet sind, in der kleine Mengen von Marihuana und Rückstände unbekannter Substanzen gefunden wurde.
Eine Berichterstattung über den Verdacht des illegalen Rauschgiftbesitzes, die für den Vorsitzenden eines Sportvereins ganz erhebliche, negative Auswirkungen haben kann, muss den Anforderungen genügen, die an eine zulässige Verdachtsberichterstattung geknüpft werden. Dies gilt auch, wenn gegen Peter Fischer ermittelt wird und erst Recht, wenn gegen seinen 25 Jährigen Sohn und seine Ehefrau ermittelt wird. Immerhin steht zu Beginn des Ermittlungsverfahrens lediglich fest, dass es eingeleitet wurde. Vollkommen offen ist es allerdings, ob der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Gerade im Ermittlungsverfahren, welches von Amtswegen schon dann eingeleitet wird, wenn eine ungeprüfte und nicht verifizierte Anzeige erhoben wird, ist zu Gunsten des Betroffenen die in Art. 6 Abs. 2 EMRK anerkannte Unschuldsvermutung besonders zu gewichten. Denn die Öffentlichkeit setzt die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens häufig mit dem Nachweis der Schuld gleich, weshalb auch dann, wenn die Ermittlungen später eingestellt wird vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“. Auch deswegen natürlich, weil es für Medien redaktionell und wirtschaftlich kaum uninteressanter sein kann, über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zu berichten, weswegen von dieser Form der Aufklärung regelmäßig Abstand genommen wird. Während eines laufenden Ermittlungsverfahrens ist eine identifizierende Berichterstattung daher nur innerhalb enger Grenzen möglich (vgl. BVerfG 1 BvR 1107/09). Zunächst einmal müssen hinreichende Umstände vorhanden sein, die für den Wahrheitsgehalt des Verdachts sprechen. Die Darstellung darf ferner keine Vorverurteilung des Betroffenen enthalten. Es darf also nicht der Eindruck entstehen, der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt. Auch ist vor der Veröffentlichung regelmäßig eine Stellungnahme des Betroffenen einzuholen. Schließlich muss es sich um einen Vorgang von gravierendem Gewicht handeln. Denn nur dann könnte die Mitteilung einer angeblichen Verfehlung durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.
Eine Verdachtsberichterstattung ist bereits dann rechtswidrig, wenn auch nur eine der genannten Voraussetzungen nicht erfüllt ist.
Mit Blick auf Herrn Fischer, seinen 25-jährigen Sohn und seine Ehefrau gibt es bereits keine Umstände, die für den Wahrheitsgehalt des Vorwurfs des illegalen Drogenbesitzes sprechen. Es bleibt vollkommen offen, in welcher Weise die genannten Personen mit dem gefundenen Marihuana in Verbindung stehen. Mit Blick auf den Verdacht, der 13-jährige Sohn von Herrn Fischer habe auf dem Schulhof Kokain konsumiert, was noch nicht einmal die Staatsanwaltschaft behauptet, ist ebenfalls nicht ernsthaft von hinreichenden Belegtatsachen auszugehen.
Die Berichterstattung ist auch vorverurteilend. Bereits auf Grund der reißerischen Aufmachung des Beitrages hat der Leser nicht den geringsten Zweifel, dass die Vorwürfe zutreffend sind. Auch werden keine entlastenden Umstände oder Zweifel an der Stichhaltigkeit der erhobenen Vorwürfe mitgeteilt. Im Gegenteil. Es wird wahrheitswidrig behauptet, der Sohn von Herrn Fischer sei auf dem Schulhof mit Koks erwischt worden. Passend hierzu wird von „weißen Rückstände“ gesprochen, die in der Wohnung gefunden wurden. Der Beitrag ist unausgewogen, manipulativ und unsachlich auf Effekte der Entrüstung ausgelegt. Der Leser hat nicht den geringsten Zweifel, dass das Kind das Koks aus der elterlichen Wohnung genommen und damit auf dem Schulhof erwischt worden ist. Der Unschuldsvermutung räumt die BILD einfach garkeinen Stellenwert ein.
Das Recht, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen und sich hierzu zu erklären, ist Peter Fischer wohl gewährt worden. Weder seinem erwachsenen Sohn noch seiner Ehefrau wurde diese Möglichkeit allerdings eingeräumt. Sie wurden mit den Vorwürfen nicht konfrontiert und hatten offenkundig keine Gelegenheit bekommen, sich zu erklären. Das Recht zur Stellungnahme ist mit Blick auf den Sohn und die Ehefrau von Herrn Fischer verletzt worden.
Auch verkennt die BILD den Wert der Story. Es handelt sich nicht um einen Vorgang, der so gewichtig ist, dass die identifizierende Berichterstattung bereits jetzt, am Anfang eines Ermittlungsverfahrens durch ein Informationsbedürfnis der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Laut BILD wurden bei einer Hausdurchsuchung „kleinere Mengen Marihuana gefunden wurde. Mehr nicht. In Ansehung der derzeitigen Bemühungen auf Regierungsebene, Marihuana zu legalisieren, ist es bestenfalls fragwürdig, ob es sich in Ansehung des derzeitigen Kenntnisstandes um eine Angelegenheit von gravierendem Gewicht handelt.
Die identifizierende Berichterstattung über die angeblichen Beteiligten Mitglieder der Familie des Präsidenten der Eintracht Frankfurt ist rechtswidrig und begründet umfangreiche Unterlassungsansprüche und, jedenfalls mit Blick auf den 13-jährigen Sohn, eine relevant hohe Geldentschädigung.