Der
Hessische Rundfunk berichtet seit Ende 2018 regelmäßig über den sog.
AWO-Skandal und unter diesem Vorzeichen auch über zahlreiche Personen, die für die AWO gearbeitet haben. So auch über unseren Mandanten, der als Rechtsanwalt für die AWO beratend tätig gewesen ist. Dies hat der Hessische Rundfunk zum Anlass genommen, sich unter der Überschrift „2.000 Euro? 182.000 Euro! Wundersame Honorarvermehrung bei der AWO“ mit einer Honorarnote unseres Mandanten zu befassen, die er der AWO gestellt hat.
Die Befassung mit dieser Rechnung beschränkte sich dann allerdings maßgeblich darauf, in Unkenntnis der von unserem Mandanten erbrachten Leistung und des konkret erbrachten Leistungsumfangs, den schwerwiegenden Vorwurf zu erheben, eine rechnerisch bewusst falsche Abrechnung erstellt und zur Zahlung fällig gestellt zu haben. Dies habe die Überprüfung der Rechnung durch einen Juristen ergeben, der nachgerechnet und hierbei ermittelt habe, dass lediglich „ein Hundertstel der Honorarsumme“ angemessen gewesen wäre. Der HR spricht von einer „wundersamen Honorarvermehrung“, von „Kasse machen“ und von „Goldgräberstimmung“. „Fachleute“, so der HR, glaubten nicht, dass sich unser Mandant lediglich „verrechnet“ habe.
Spätestens hier geht der Leser vom Vorwurf des bewussten und vorsätzlichen Abrechnungsmanipilation aus.
Die Berichterstattung war grob rechtswidrig. Denn der HR hat den Lesern entscheidende Umstände vorenthalten, die für die Einordnung des Sachverhaltes von elementarer Bedeutung waren.Insoweit besteht in der Rechtsprechung Einigkeit, dass eine „nicht vollständige“ Berichtersattung dann rechtswidrig ist, wenn durch das Weglassen ein unzutreffender und damit falscher Eindruck entsteht.
„Wenn nämlich […] dem Leser Tatsachen mitgeteilt worden sind, aus denen er erkennbar eigene Schlussfolgerungen ziehen soll, so durften hierbei keine wesentlichen Tatsachen verschwiegen werden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten […] und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will […]
„Es dürfen also nicht solche Fakten verschwiegen werden, deren Mitteilung beim Adressaten zu einer dem Betroffenen günstigeren Beurteilung des Gesamtvorgangs hätte führen können“ (
BGH AfP 2006, 65ff )
So blieb unerwähnt, dass der Jurist die Rechnung nicht auf ihre Richtigkeit hin überprüft hatte. Ihm lag die vollständige Abrechnung überhaupt nicht vor. Und er hatte – schon nach eigener, auch dem HR bekannter Aussage – , keine Kenntnis vom Inhalt und Umfang der von unserem Mandanten erbrachten anwaltlichen Beratungsleistung. Er hat auch keinen Kontakt mit unserem Mandanten aufgenommen, um sich über den tatsächlichen Inhalt und Umfang der erbrachten Leistungen zu informieren. Er stellte keine Neuberechnung an und überprüfte auch nicht die Rechnung, sondern hat bemerkenswert hemdsärmelig und ins Blaue hinein einen Aufwand geschätzt. Der HR hat dem Leser diese, für die Beurteilung der Sachlage sehr relevanten Umstände verschwiegen.
Das OLG Frankfurt hat in Folge der notwendigen
Sinndeutung folgerichtig zutreffend festgestellt, dass
„sich für den Durchschnittsrezipienten das Verständnis ergibt, dass diese Honorarrechnung Gegenstand der durch ihre Höhe veranlassten Nachrechnung war…“. Der Leser müsse der Darstellung entnehmen, dass man auf Grundlage der Nachberechnung
„zu einer eklatant niedrigeren Honorarforderung des Klägers gelangte“. Dies alles, obwohl dem HR aus den vorgelegten Quellen bekannt war, dass dem „als angemessen ermittelten Betrag für die Tätigkeit [unseres Mandanten]“ weder dessen Rechnung noch der umfangreiche Leistungsnachweis vorlag. Zusammenfassend stellte das OLG Frankfurt fest:
„
Mit diesem Aussagegehalt handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung. Ob Mitarbeiter der Stadt die Rechnung des Klägers überprüften und auf deren Grundlage zu dem Ergebnis gelangten, dass nur ein deutlich niedriger Betrag in einer Größenordnung von € 2.000 vertretbar bzw. angemessen gewesen wäre, ist einer Beweiserhebung zugänglich. Diese Behauptung ist unwahr“.
Das OLG Frankfurt hat den HR umfassen antragsgemäß verurteilt und ihm hierbei u.a. untersagt, in Bezug auf unseren Mandanten zu behaupten, seine Abrechnung seien „nachgerechnet“ und hiernach festgestellt worden, dass lediglich „ein Honorar, das gerade einmal bei etwas mehr als einem Prozent der Forderung hätte liegen sollen“, gerechtfertigt gewesen wäre.