Nachweis eines Lizenzschadens bei Übernahme eines urheberrechtlich geschützten Werkes
Das OLG Frankfurt am Main hat unter dem Az.: 11 U 88/17 über eine Schadensersatzforderung zu entscheiden gehabt, bei dem ein Ingenieurbüro für die Nutzung eines Onlinestadtplans keine Lizenzgebühren zahlte. Dabei setzte das OLG bestimmte Anforderungen an den Nachweis des Lizenzschadens, die sich mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte decken.
Der Sachverhalt im Überblick
Ein Ingenieurbüro veröffentlichte auf seiner Internetseite einen Onlinestadtplan. Für die Nutzung dieses Onlinestadtplans, deren Urheberin die Klägerin ist, zahlte das Ingenieurbüro weder Lizenzgebühren, noch war die Nutzung anderweitig erlaubt worden. Diese Onlinestadtpläne werden von der Klägerin zur Nutzung angeboten, wobei für die Nutzung des Stadtplans in der Preiseliste der Klägerin eine Lizenzgebühr von 1.620 Euro zzgl. Umsatzsteuer ausgewiesen war.
Nachdem die Klägerin nun auf die unerlaubte Nutzung aufmerksam wurde, mahnte Sie das Ingenieurbüro ab und verlangte die Lizenzgebühren von 1.620 Euro und den Ersatz einer Gebühr von Ermittlungs- und Dokumentationskosten in Höhe von 95 Euro. Das Ingenieurbüro gab die geforderte Unterlassungserklärung ab, die mit einer Vertragsstrafe von 5.001 Euro versehen war. Den geforderten Lizenzbetrag zahlte es nicht, bot stattdessen eine geringere Lizenzgebühr an. Die Klägerin nahm die Unterlassungserklärung an.
Wenige Tage später war zwar die Internetseite des Ingenieurbüros mit dem unerlaubt genutzten Stadtplan nicht mehr abrufbar, befand sich aber noch auf dem Server. So konnte man mit der exakten Eingabe des genauen Pfades den unerlaubt genutzten Stadtplan noch abrufen. Daraufhin forderte die Klägerin von dem Ingenieurbüro die Vertragsstrafe von 5.001 Euro ein sowie den Lizenzschaden, die Ermittlungsgebühr und die angefallenen Rechtsanwaltskosten. Das Ingenieurbüro zahlte jedoch nur die Rechtsanwaltskosten und einen sehr geringen Teil der Vertragsstrafe und des Lizenzschadens. Daraufhin erhob die Urheberin der Onlinestadtpläne vor dem Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen das Ingenieurbüro.
Die landgerichtliche Entscheidung
Das Landgericht sprach der Klägerin einen um 50 % gekürzten Lizenzschaden i.H.v. 810 Euro, 95 Euro Ermittlungsgebühren, sowie eine auf 1.000 gekürzte Vertragsstrafe zu. Abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen ergab dies einen Betrag von 1.540,50 Euro zuzüglich Zinsen.
Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Erreichbarkeit des Onlinestadtplan auf den Seiten des beklagten Ingenieurbüros nur nach Eingabe der genauen Adresse möglich war. Die damit verbundene niedrige Breitenwirkung rechtfertigte nicht die volle Höhe der Vertragsstrafe von 5.001 Euro. Das Landgericht minderte daher die vereinbarte Vertragsstrafe und setzte lediglich eine solche in Höhe von 1.000 Euro fest.
Landgericht berechnet den Lizenzschaden über sog. Lizenzanalogie
Wird der Schadensersatz bei Urheberrechtsverletzungen durch die Lizenzanalogie berechnet, wird ein Betrag zugrunde gelegt, der in der Höhe dem entspricht, was der Verletzter des Urheberrechts dem Urheber als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Vorliegend hat das Gericht zu Gunsten des beklagten Ingenieurbüros, dass Wettbewerber der Klägerin ähnliche Produkte mitunter günstiger am Markt anbieten. Die vorgelegten Lizenzvereinbarungen, die die Klägerin in der Vergangenheit mit Dritten abgeschlossen hatte, seien nicht ohne weitere übertragbar. Denn viele der Vereinbarungen seien erst nach einer Abmahnung zustande gekommen. Zwar könnten solche Vereinbarungen auch bei der Berechnung des Schadenersatzes berücksichtigt werden, doch ist bei solchen Nachlizenzierungen davon auszugehen, dass die ausgehandelten Nach-Lizenzgebühren durch die Einbeziehung von u.a. Abmahnkosten insgesamt anders zu beurteilen seien, als bei einer freihändigen Vereinbarung, die nicht unter dem Druck einer vorausgegangenen Urheberrechtsverletzung zustande gekommen sind. Insgesamt kommt das Gericht damit zu einem Lizenzschaden von 810 Euro und setzt damit einen Abschlag von 50% von den geforderten 1.610 Euro Lizenzschaden durch.
Entscheidung des Oberlandesgericht
Die Klägerin forderte in der Berufung weitere 1.810 Euro von dem beklagten Ingenieurbüro – weitere 1.000 Euro Vertragsstrafe und weitere 810 Euro Lizenzschaden. Das beklagte Ingenieurbüro beantragte das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main schloss sich dem Antrag der Klägerin an und verurteilte das beklagte Ingenieurbüro zu weiteren Zahlung von 1.810 Euro. Sowohl die Vertragsstrafe, als auch der Lizenzschaden seien vom Landgericht als zu niedrig bemessen worden.
Zu geringe Vertragsstrafe verfehlt die Aufgabe als Sicherungs- und Druckmittel
Das OLG sah die von der Klägerin in der Berufung geforderte Vertragsstrafe von insgesamt 2.000 Euro als angemessen an. Die Vertragsstrafe soll in ihrer Funktion als Sicherungs- und Druckmittel gerade so bemessen sein, dass sich Verstöße für den Abgemahnten nicht lohnen. Ist die Vertragsstrafe somit zu gering – in diesem Fall geringer als der geforderte Lizenzschaden, verfehlt dies den „strafenden“ Charakter bei erneuten Zuwiderhandlungen. Dies habe das Landgericht in diesem Fall nicht beachtet. Auch der Umstand, dass das beklagte Ingenieurbüro die Kartenkachel mit sehr geringem Aufwand von seinem Server hätte entfernen können, führen in der Bewertung des OLG zu einer höheren Vertragsstrafe. Zwar sei auch die vereinbarte Vertragsstrafe von 5.001 Euro zu hoch, aber die in der Berufung geforderte Vertragsstrafe von 2.000 Euro ist unter Berücksichtigung der Umstände gerechtfertigt.
Auch nachlizenzierte Lizenzvereinbarungen können Grundlage sein
Der noch vom Landgericht vertretenen Auffassung, die vorgelegten Lizenzvereinbarungen der Klägerin seien zumeist unter dem Druck einer vorherige Abmahnungen zustande gekommen und wiesen aus diesem Grund zu hohe Lizenzentgelte aus, die bei einer freien Lizenzvereinbarung normalerweise nicht durchsetzbar seien, wies das OLG Frankfurt zurück und schloss sich der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe an. Danach sind auch solche Lizenzvereinbarungen bei der Schadensersatzberechnung zu berücksichtigen, denen Abmahnungen vorausgegangen sind. Denn schließlich bleiben den Abgemahnten durchaus Handlungsalternativen, in dem diese z.B. mit anderen Anbieter gleicher Onlinestadtpläne Lizenzvereinbarungen abschließen können. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, das bei Nachlizenzierungen in die Höhe der Lizenzsätze – im Sinne einer „Gesamtlösung“ – solche Kosten mitfließen, die sich aus der vorhergehenden unerlaubten Nutzung ergeben.
Um den Abgemahnten nicht schlechter zu stellen, als denjenigen, der im Vorfeld der Nutzung eines urheberrechtlichen geschützten Werkes eine Lizenzvereinbarung mit dem Urheber eingeht, ist die vom Landgericht vorgenommene Kürzung des von der Klägerin veranschlagten Lizenzsatzes nicht zu rechtfertigen. Der Abschlag ist somit willkürlich.