ZDF verletzt Opferrechte. Rechtsanwalt Damm setzt sich vor dem Landgericht Frankfurt erfolgreich für das Opfer einer schweren Straftat ein.
Unsere Mandantin war vor mehr als 30 Jahren Opfer einer Entführung. Nach Zahlung eines Lösegeldes ist sie von den Entführern nach mehreren Monaten Gefangenschaft freigelassen worden. Die Entführer wurden nie gefasst. Das Verbrechen erregte bundesweit große mediale Aufmerksamkeit. Es erfolgten öffentliche Fahndungsaufrufe, in der auch Kinderfotos unserer Mandantin veröffentlicht wurden. Die Familie unserer Mandantin wandte sich öffentlich an die Entführer. Der Fall wurde von der Sendung „Aktenzeichen XY… ungelöst“ aufgegriffen. Nach der Freilassung fand eine Pressekonferenz statt. Hierbei war auch ein Vermittler anwesend, der auf Seiten der Familie unserer Mandantin in die Kommunikation mit den Entführern eingebunden war. Ebenfalls kurz nach der Freilassung hat die BUNTE in insgesamt zwei umfangreichen Beiträgen über die Entführung und die Freilassung berichtet und hierbei auch mit Einwilligung der Eltern unserer Mandantin Kinderfotos unserer Mandantin veröffentlicht.
Das ZDF nimmt sich immer wieder alter Verbrechen an, um diese im Rahmen unterhaltender Info-Dokus redaktionell auszuwerten. In diesem Fall erfolgte dies im Rahmen einer Sendung, die im Spartensender ZDFinfo im Januar 2018 zur Ausstrahlung gelangte und die sich vordergründig mit dem Leben des Vermittlers befasste, der bei der Entführung in die Kommunikation mit den Entführen eingebunden war. Hierbei wurde der Entführungsfall unter Nennung des Namens unserer Mandantin wie auch unter Verwendung u.a. solcher Fotos wiedererzählt, die im Rahmen der Fahndung verwendet wurden. Ferner wurden Fotos von unserer Mandantin veröffentlicht, die mit Einwilligung der Eltern unserer Mandantin von mehr als 30 Jahren in der Illustrierten BUNTE veröffentlicht wurden. Darüber hinaus wurde der Tonbandmitschnitt von einem Telefonat veröffentlicht, welches unsere Mandantin noch während der Entführung mit dem Vermittler führen musste und worin sie Details zur Geldübergabe mitteilte. Ferner wurde ein Brief vorgelesen, den unsere Mandantin während der Entführung geschrieben hat.
Für die Mandantin stellt die Befassung mit der Entführung immer wieder eine Belastung dar. Daher wollte sie erreichen, dass es dem ZDF nun verbindlich verboten werde, Fotos, Tonbandmitschnitte und Briefe aus der damaligen Zeit auch weiter hin zu veröffentlichen. Mit Erfolg. Das Landgericht Frankfurt hat nun in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung vom 17.04.2019, Az.: 2-03 O 118/18, dem ZDF verboten, sowohl die Bilder zu veröffentlichen, die im Rahmen der Fahndung verwendet wurden wie auch diejenigen Bilder, die nach der Entführung in der Illustrierten Bunte mit Einwilligung der Eltern veröffentlicht wurden. Ferner hat das Landgericht Frankfurt dem ZDF untersagt, den Brief unserer Mandantin zu veröffentlichen wie auch das seinerzeit heimlich mitgeschnittene Telefongespräch
Das Landgericht ist im Rahmen seiner Entscheidung ohne weiteres davon ausgegangen, dass unsere Mandantin auf den Kinderfotos noch erkennbar dargestellt werde. Insoweit wurde zutreffend darauf hingewiesen, dass es bereits ausreichend sei, wenn der Abgebildete begründeten Anlass zu der Annahme habe, er könne als abgebildet identifiziert werden. Dies ist im vorliegenden Fall ohne weiteres gegeben, da zumindest Verwandte und Bekannte unsere Mandantin, diese in dem Filmbeitrag erkennen konnten, was nach gängiger Rechtsprechung ohne weiteres ausreicht.
Eine konkludente Einwilligung in die Veröffentlichung der Kinderfotos hat das Landgericht ebenfalls nicht angenommen. Denn die von den Eltern erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung der Fotos bezog sich auf ihre Verwendung zur Fahndung bzw. zur Veröffentlichung in der Illustrierten BUNTE und sei auf diese Veröffentlichungszwecke beschränkt gewesen. Die Einwilligung ihrer Eltern müsse sich die Mandantin im Übrigen auch nicht zurechnen lassen. Die Wiedergabe von Fotografien aus der Kinder-und Jugendzeit bedarf der Einwilligung der heute volljährigen Mandantin.
Die Bildnisse unserer Mandantin sind auch keine Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte, was dazu führen würde, dass ihre Veröffentlichung auch ohne Zustimmung möglich wäre. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist stets im Rahmen einer Abwägung zu ermitteln. Hierbei sind die Rechte des Abgebildeten einerseits und die Rechte der Presse andererseits in Ausgleich zu bringen. Vorliegend hat das Landgericht Frankfurt zwar berücksichtigt, dass der Entführungsfall durchaus sachlich dargestellt werde. Allerdings ist das Bedürfnis unserer Mandantin, die Wiedergabe der Kinderbilder nach mehr als 30 Jahren zu unterbinden, vorrangig. Hierbei war zu berücksichtigen, dass sie als Tatopfer gegen ihren Willen in den zwar grundsätzlich berichten werten Vorgang einbezogen wurde. „Das Persönlichkeitsrecht des Tatopfers bedarf jedoch in der Berichterstattung einer besonders schonenden Behandlung, so dass eine identifizierende Berichterstattung daher noch zurückhaltender zu erfolgen hat. Denn während der Täter durch seine Tat aus eigenem Antrieb in soziale Interaktion mit dem Tatopfer tritt, wird das Tatopfer hieran unfreiwillig beteiligt“. Unter Bezugnahme auf die vorstehenden Erwägungen hat das Landgericht es als nicht angezeigt erachtet, dem Veröffentlichungsinteresse des ZDF den Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht unsere Mandantin einzuräumen. Hierbei wurde auch berücksichtigt, dass die Bildberichterstattung noch stärker in die Rechte des Abgebildeten eingreift als eine bloße Wortberichterstattung.
Das Landgericht hat in Bezug auf das Verbot, den privaten Brief unserer Mandantin zu veröffentlichen ausgeführt, dass grundsätzlich dem Verfasser eines Briefes die Befugnis zusteht darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Worte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Vorliegend gelte dies insbesondere auch schon deswegen, weil zwischen dem Zeitpunkt der ersten Verlesung des Briefes und dem streitgegenständlichen Filmbeitrag mehr als 36 Jahre liegen. Berücksichtigt hat das Landgericht hierbei auch, dass unsere Mandantin bei Abfassung des Briefes noch minderjährig gewesen ist und sie zu dem Schreiben des Briefes gezwungen wurde.
Das Landgericht hat schließlich mit gleicher Begründung auch den heimlichen Telefonmitschnitt verboten und hierbei zudem hervorgehoben, dass das informelle Selbstbestimmungsrecht betroffen ist.