BILD will exklusiv „aus dem Umfeld“ erfahren haben, dass sich Anne Will nach ihrer Zeit als „Gastgeberin des Sonntags-Talks“ nicht nur neuen Talk-Projekten auf der Theaterbühne zuwenden wolle, sondern dass sie nun „auch in der Liebe […] einen Neuanfang“ wage. BILD räumt ein, Anne Will mehrfach vergeblich um Auskunft hierüber gebeten zu haben. So muss also „das Umfeld“ herhalten, von dem BILD erfahren haben will, dass Anne Will und Helene Hegemann ein Paar seien und sie sich im Theater kennen gelernt haben. Nachbarn wurden auch befragt, weswegen BILD berichten könne, dass die beiden Frauen viel Zeit im Haus von Anne Will in Berlin Zehlendorf verbringen, gemeinsam joggen oder mit Hegemanns Hund Gassi gehen.
Die Berichterstattung verletzt das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Anne Will und Helene Hegemann.
Was BILD aus dem Blick verliert: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht beinhaltet u.a. auch das Recht auf Schutz der Privatsphäre, dass jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. In einer aktuellen Entscheidung führt der BGH unmissverständlich aus, dass zur Privatsphäre das Recht gehört „für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. […]. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsgehalts typischerweise als „privat“ eingestuft werden. Dazu gehören nach gefestigter Senatsrechtsprechung auch Informationen über das Bestehen einer Liebesbeziehung, deren Bekanntwerden der Betroffene – aus welchen Gründen auch immer – nicht wünscht, sondern vielmehr geheim halten möchte“. (BGH v. 06.12.2022, Az.: VI ZR 237/21).
Durch die Mittelung u.a. zum angeblichen Beziehungsstatus gibt die BILD relevante Einblicke in die persönlichen Lebensumstände von Anne Will und natürlich auch von Helene Hegemann. Der Eingriff ist auch rechtswidrig. Dies ergibt eine Abwägung des durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Persönlichkeitsrechts mit dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK verankerten Recht der BILD auf Meinungsfreiheit. Bei dieser Abwägung ist maßgeblich darauf abzustellen, ob sich die Offenbarung der privaten Lebensumstände durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt. Für die Beurteilung dieser Frage ist von Bedeutung ob BILD durch die Vermittlung der privaten Lebensumstände „eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit der Informationsanspruch des Publikums erfüllt und so zur Bildung einer öffentlichen Meinung beigetragen wird oder ob lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt wird“ (BGH (Az.: VI ZR 237/21). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto eher müssen die Schutzinteressen von Frau Will „hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten“. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche. Der Schutz der persönlichkeitsrechtlichen Belange von Frau Will wiegt schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist.
„Außerdem muss grundsätzlich unterschieden werden zwischen der Berichterstattung über Tatsachen, die einen Beitrag zu einer Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft leisten kann, die zum Beispiel Politiker bei Wahrnehmung ihrer Amtsgeschäfte betrifft, und der Berichterstattung über Einzelheiten des Privatlebens einer Person, die keine solchen Aufgaben hat“ (BGH 06.12.2022, Az.: VI ZR 237/21).