DAMM Rechtsanwälte lässt Facebook die Verbreitung eines privaten Fahndungsaufrufes verbieten
Von unserem Mandanten wurde auf Facebook ein gegen seinen Willen angefertigtes Foto veröffentlicht, das ihn in Begleitung seines Hundes in einer Frankfurter Stadtbahn zeigt. Dieses Foto versah der Nutzer mit dem nachstehend wiedergegebenen Kommentar, worin unserem Mandanten unterstellt wird, unter Alkohol- und Drogeneinfluss seinen Hund mehrfach in der Öffentlichkeit getreten zu haben:
„(Wer kennt diesen Typen) Er hat seinen Hund dauernd vor die Nase getreten. Scheint Drogen und Alkohol genommen zu haben. Schleift seinen Hund permanent hinter sich her. Ihm gehört das Tier abgenommen. Gesichtet zuletzt […]. Beitrag darf gerne geteilt werden.“
Der im Bemühen verfasste Beitrag, unseren Mandanten öffentlich wegen eines angeblichen, gravierenden Fehlverhaltens anzuprangern, ihn zu identifizieren („Wer kennt diesen Typen“, „Beitrag darf gerne geteilt werden“) und den aus Sicht des Verfassers erforderlichen Konsequenzen zuzuführen („Ihm gehört das Tier abgenommen“), wurde innerhalb weniger Tage 20.000 Mal geteilt. Die so bezweckte und eingetretene Pranger- und Stigmatisierungswirkung hat sich zudem dadurch realisiert, dass eine Vielzahl von Nutzern den ihrerseits geteilten Beitrag wiederum mit eigenen, teils beleidigenden sowie solchen Kommentaren versehen hat, die zu körperlicher Gewalt gegen unseren Mandanten aufrufen.
Der Beitrag war rechtswidrig. Zum einen, weil die vom Nutzer erhobenen Vorwürfe nicht ansatzweise der Wahrheit entsprachen. Zum anderen vor allem deshalb, als der Beitrag unabhängig von dessen Wahrheitsgehalt nicht den rechtlichen Anforderungen genügte, welche an die Veröffentlichung derartiger „Fahndungsaufrufe“ gestellt werden. Hiernach ist mindestens erforderlich, dass eine Straftat von erheblichem Gewicht im Raum steht und ferner, dass der „Aufruf“ den Betroffenen nicht in anprangernder Weise vorverurteilt. Diese Hürden haben in besonderem Maße für „Fahndungsaufrufe“ in sozialen Medien zu gelten, da hier angesichts der erheblichen Breitenwirkung eine ganz besondere Stigmatisierungsgefahr für den Betroffenen droht. Grundsätzlich ist auch zu sehen, dass soziale Netzwerke nicht der Ort sind, an dem Nutzer nach Belieben denunzieren und Fahndungsaufrufe schalten dürfen. Denn das Strafverfolgungsmonopol liegt bei den Strafverfolgungsbehörden, die im Übrigen ihrerseits Fahndungsfotos nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen veröffentlichen dürfen (vgl. § 131b StPO: „Straftat von erheblicher Bedeutung“). Keinen der skizzierten Anforderungen konnte der streitgegenständliche Facebook-Beitrag gerecht werden. Zum einen, weil der Beitrag geradezu darauf abzielt, unseren Mandanten vorzuverurteilen, zu brandmarken und ihn den aus Sicht des Nutzers angemessenen Konsequenzen zuzuführen. Zum anderen, weil auch keine vermeintliche Straftat von erheblichem Gewicht im Raum steht, sondern vielmehr ein – im strafrechtlichen Sinne – Bagatell-Delikt.
Unter Darlegung dieser Aspekte haben wir Facebook zunächst im Wege des „notice-and-takedown – Verfahrens“ auf die Rechtswidrigkeit des Beitrages hingewiesen. Zum Erstaunen teilte Facebook hierauf mit, eine Rechtswidrigkeit des Beitrages nicht erkennen zu können. Nachdem die hierauf ausgesprochene Abmahnung ohne Reaktion geblieben war, haben wir beim LG Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, welche die Pressekammer unter dem Az. 2-34 O 86/20 (n. rk.) antragsgemäß erlassen und Facebook untersagt hat, das Foto unseres Mandanten nebst dem oben wiedergegebenen Kommentar auf seiner Plattform in Deutschland verfügbar zu halten. Aus den Gründen:
„Das Bildnis verletzt den Antragsteller in dem hier gegebenen Kontext in seinem Persönlichkeitsrecht. Der Beitrag ist öffentlich und an die Allgemeinheit gerichtet. Er dient dazu, den Antragsteller zu brandmarken und hat zu öffentlichen Aufrufen zur Gewaltanwendung gegen den Antragsteller beigetragen. Das ohne Einwilligung aufgenommene Foto stellen einen privaten Fahndungsaufruf dar. Ein solcher Fahndungsaufruf ist nur bei schwerwiegenden Straftaten gerechtfertigt, die vorliegend nicht in Betracht kommen. Auch ist zu berücksichtigen, dass die in der Bildnebenschrift gegebenen weiteren Informationen nicht sachlich verfasst worden sind, sondern den Antragsteller und sein Verhalten abwerten und verurteilen. Schließlich ist zu beachten, dass der Antragsteller durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht hat, dass die in dem Kommentar veröffentlichten Behauptungen, er habe seinen Hund malträtiert und konsumiere Drogen, unwahr seien.
Facebook haftet insoweit als Störerin auf Unterlassung der Veröffentlichung des Beitrages auf ihrer Plattform „Facebook“. Eine solche Haftung greift allerdings erst, wenn der Betreiber der Onlineplattform konkret auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist und für den Betreiber hierdurch die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar ist. (…). Diesen Voraussetzungen genügte das streitgegenständliche Löschungsersuchen. (…)“.