„Herr (…) ist stolzes Mitglied der Identitären Bewegung“ ist zulässige Meinungsäußerung. DAMM Rechtsanwälte lässt einstweilige Verfügung aufheben.
Unser Mandant ist Mitglied des Hessischen Landtags. In Bezug auf den Verfügungskläger, ebenfalls Politiker und hessischer Landtagsabgeordneter, hatte sich unser Mandant in einer Email, die im politischen Kontext an mehrere Adressaten gerichtet war, wie folgt geäußert:
„Herr (…) ist stolzes Mitglied der Identitären Bewegung“.
Diese Äußerung ließ der Verfügungskläger unserem Mandanten per einstweilige Verfügung des LG Frankfurt a.M. untersagen. Das Gericht stufte die Äußerung als unwahre Tatsachenbehauptung ein, da der Verfügungskläger – was zutrifft – kein Mitglied des „Identitäre Bewegung e.V.“ im vereinsrechtlichen Sinne sei. Die Behauptung sei rufabträglich, weil – was ebenfalls zutrifft – die Gruppierung dem rechtsextremen Spektrum zuzurechnen sei.
Gegen die einstweilige Verfügung haben wir für unseren Mandanten Widerspruch eingelegt. Hierauf hat das Gericht seine Auffassung revidiert, die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen. Wir konnten dem Gericht vermitteln, dass die Äußerung als zulässige Meinungsäußerung einzuordnen und insofern von Art. 5 GG gedeckt ist. Denn die Äußerung war gerade nicht dahin zu verstehen, dass unser Mandant eine formale Mitgliedschaft des Verfügungsklägers in einem Verein mit dem Namen „Identitäre Bewegung e.V.“ behauptet hätte. Richtigerweise war sie vom insoweit maßgeblichen Standpunkt des unvoreingenommenen Lesers dahingehend zu deuten, dass unser Mandant auf die politische und weltanschauliche Nähe des Verfügungsklägers zur IB als politische Bewegung hingewiesen hatte. Dem ist das Gericht gefolgt und hat in den Entscheidungsgründen ausgeführt:
„(…) steht die Bezeichnung „IB“, die der Verfügungsbeklagte verwendet hat, für die Gruppierung der Identitären Bewegung als solche und die von ihr vertretenen Auffassungen und Überzeugungen. Als Gruppierung ist die Zugehörigkeit fließend. Ob eine Person zu dieser Gruppierung zu rechnen sei, ergibt sich regelmäßig nicht über eine nachprüfbare Mitgliedschaft, sondern bemisst sich an eigenen Auffassungen und Überzeugungen der Person, die mit denen der Gruppierung übereinstimmen. (…)“
Unter Zugrundelegung dieser Sinndeutung hat das Gericht zwar einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers angenommen, da die Äußerung den Vorwurf beinhalte, Teil einer Gruppierung (Identitäre Bewegung) zu sein, die die Parteizugehörigkeit des Verfügungsklägers in Frage stellen kann. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht war jedoch nicht rechtswidrig. Im Rahmen der gebotenen Abwägung hat das Gericht zu Gunsten unseres Mandanten maßgeblich die mannigfaltigen Verflechtungen des Verfügungsklägers und dessen weltanschauliche Nähe zu der Gruppierung Identitäre Bewegung berücksichtigt, zu denen wir schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung umfassend vorgetragen hatten.
„Im vorliegenden Fall vermögen die von dem Verfügungsbeklagten vorgetragenen tatsächlichen Umstände eine Nähe des Verfügungsklägers zu der Identitären Bewegung herzustellen. (…) Auch wenn sich der Verfügungskläger nicht als Mitglied der Gruppierung der Identitären Bewegung zugehörig betrachtet, stellt es eine Meinungsäußerung dar, wenn der Verfügungskläger aus den vorliegenden Anhaltspunkten auf eine Zugehörigkeit des Verfügungsklägers zu dieser Gruppierung schließt.“
Ferner hatten wir darauf hingewiesen, dass nach gängiger Rechtsprechung im politischen Meinungskampf natürlich auch scharfe und übertreibende Kennzeichnungen des politischen Gegners zulässig und hinzunehmen sind. So auch hier. Insoweit hat das Gericht treffend ausgeführt:
„Hier ist die Sozialsphäre des Verfügungsklägers betroffen, denn die E-Mail des Verfügungsbeklagten betrifft die Tätigkeit des Verfügungsklägers als (…) und sein politisches Wirken (…). Hier muss sich der Verfügungskläger stärker Kritik der Öffentlichkeit und der Ausübung der freien Meinungsäußerung durch andere stellen als im Privatbereich. (…)
Die Auseinandersetzung, welcher Gruppierung oder Strömung ein Parteimitglied oder ein Fraktionsmitglied zuzurechnen sei, ist Teil der politischen Auseinandersetzung in den politischen Gremien, denen ein Parteimitglied angehört und der sich dieses Mitglied stellen muss.“
Die unter dem Az. 2-24 O 287/20 ergangene Entscheidung ist nicht rechtskräftig.