Ist es OK, wenn die Bild am Sonntag (BamS) prophezeit, der einstmalige Weltklassetorhüter Eike Immel werde von einem Bekannten bald wegen 49-fachen Betruges angezeigt werden? Natürlich nicht!
Die BamS erhebt unter Bezugnahme auf einen Bekannten von Eike Immel den Vorwurf, dieser habe ihn um ca. 18.000,00 Euro betrogen. Eike Immel soll diesem Bekannten erzählt haben, Katar wolle, dass er für die WM die PR mache, wofür er „120.000 Euro im Monat, ein Handgeld von 750.000,00 Euro, sowie einen Mercedes und einen Porsche und zwei Luxusuhren zu je 70.000 Euro erhalten solle. Um diesen Job nun tatsächlich zu bekommen, habe er allerdings Vorfinanzierungen leisten sollen. So habe er, wie er gegenüber der BamS behauptet, auf Anweisung von Immel ca. 18.000,00 Euro auf das Konto eines ihm nicht bekannten Taxifahrers überwiesen. Der Job kam nicht zustande. Nun fordert er von Immel bislang vergeblich das Geld zurück, dass er dem Taxifahrer überwiesen habe. Alles sehr verworren. Die Geschichte steht bislang nur in den Medien. Anzeige bei der Polizei hat der angeblich Betrogene noch nicht erstattet. Allerdings hat er gegenüber der BamS erklärt, dass er in Kürze plane, Anzeige zu erstatten. Nachdem die BamS den Leser in einem Infokasten aufklärt, was Betrug sei, veröffentlicht sie schließlich auch noch private Chatprotokolle und viele Fotos von Eike Immel, von dem offen bleibt, ob die BamS versucht hat, mit ihm über die erhobenen Vorwürfe zu sprechen.
Für die BamS könnte die redaktionelle Entgleisung „Der Fall Immel“ vom 15.01.2023 ein juristisches Nachspiel haben und teuer werden. Sie lässt sich willfährig gravierende Vorwürfe „in die Feder diktieren“, die ein Bekannter von Herrn Immel gegen diesen erhebt („Betrug in 49 Fällen“)
Damit verstößt die BamS eklatant gegen die Grundsätze einer zulässigen Verdachtsberichterstattung.
Es ist einsichtig, dass ein Beitrag, der ein wie auch immer geartetes Fehlverhalten thematisiert, das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nachhaltig tangiert. Denn sein (mögliches) Fehlverhalten wird öffentlich bekannt gemacht. Dies schadet seinem Ansehen und er wird stigmatisiert. Bei Beiträgen über einen Verdacht müssen daher hohe publizistische Sorgfaltsstandards beachtet und große Anstrengungen unternommen werden, um den Betroffenen vor einer Vorverurteilung durch die Medien zu schützen. Der BGH verlangt daher u.a., einen ausreichenden Mindestbestand an Beweistatsachen, die für den Wahrheitsgehalt des erhobenen Vorwurfs sprechen. Auch ist es unverzichtbar, dem Betroffenen noch vor der Veröffentlichung Gelegenheit zu geben, sich zu den konkreten Vorwürfen zu äußern. Die Medien dürfen natürlich auch nicht einseitig die Rolle des Opfers vertreten und den Betroffenen vorverurteilen. Der BGH hat unmissverständlich klargemacht, dass die Darstellung nicht den
„unzutreffenden Eindruck erwecken [dürfe], der Betroffene sei der ihm vorgeworfenen Handlung bereits überführt“(BGH Az.: VI ZR 80/18)
Der BamS sind die vorstehend skizzierten Grundsätze offenkundig vollkommen aus dem Blick geraten. So werden in dem Beitrag keine ausreichenden Belegtatsachen ausgewiesen, die für den Wahrheitsgehalt des Verdachts sprechen, den der ehemalige Bekannte von Eikel Immel erhebt.
Ausreichend ist es nicht, sich nur auf Aussagen des angeblichen Opfers zu stützen und sich von diesem die angeblichen Verfehlungen lapidar in die Feder diktieren lassen. Dies ist vorliegend allerdings geschehen. So berichtet das vermeidliche Opfer von Überweisung in Höhe von ca. 18.000,00 Euro an einen unbekannten Taxifahrer, die er angeblich im Auftrage von Eike Immel vorgenommen habe. Der Taxifahrer hat diese Geschichte gegenüber der BamS nicht bestätigt. Sich auf eine Anfrage der BamS nicht gerührt.
Die BamS stützt die erhobenen Vorwürfe bemerkenswert unkritisch allein auf die Aussage des angeblichen Opfers, der den Gang zu den Medien vorzieht und zum Zeitpunkt der Berichterstattung noch nicht einmal Anzeige erstattet hat. Es gab zum Zeitpunkt der Berichterstattung weder ein Strafverfahren noch ein Zivilverfahren. Allerdings hat das angebliche Opfer der BamS erzählt, es werde dies alles bald nachholen. Dies ist zu wenig. Das weiß auch die BamS. Selbst wenn das angebliche Opfer bereits Anzeige erstattet hätte, würde dies eine solche Berichterstattung nicht rechtfertigen und lässt sich allein aus der Schilderung eines vermeidlichen Opfers keine ausreichende Grundlage entnehmen, die für den Wahrheitsgehalt der erhobenen Vorwürfe spricht.
„Die bloße Tatsache der Erstattung einer Strafanzeige reicht in der Regel nicht aus, einem Presseorgan das Recht zu geben, hierüber und über die erhobenen Vorwürfe zu berichten.“ (LG Düsseldorf AfP 1995, 500-503). Das LG Köln befasst sich mit der Frage, ob die Aussage eines angeblichen Opfers ausreichend sei, um hierauf eine Verdachtsberichterstattung zu stützen und macht deutlich:
„ […] Unabhängig davon lässt sich eine Verdachtsberichtserstattung über einen gravierenden Verstoß im Hinblick auf die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht alleine auf die Aussage des jeweiligen Opfers stützen, sofern nicht weitere Beweistatsachen vorliegen, welche diese Aussage stützen.“ (LG Köln v. 10.06.2014, Az. 28 O 563/14 Rz. 36)
Vorliegend sind keine weiteren Belegtatsachen ersichtlich. Es gibt nur die eine Quelle: Das angebliche Opfer. Schon deswegen ist die Berichterstattung ganz gravierend rechtswidrig.
Der Beitrag ist zudem vorverurteilend. Die BamS hat den Sachverhalt allein aus der Sicht des Opfers dargestellt und sich aus eigenem kommerziellen Interesse zum loyalen Gefährten des angeblich Geschädigten gemacht. Die BamS war nach Kräften darum bemüht, beim Leser keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die erhobenen Vorwürfe die Wirklichkeit spiegeln. Die Berichtesrattung stellt einen ganz erheblichen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar und ist vorverurteilend.
Die Berichterstattung über den angeblichen Betrug zu Lasten des angeblich Geschädigten Bekannten von Eike Immel ist rechtswidrig und begründet neben Unterlassungsansprüchen im Zweifel auch noch eine hohe Geldentschädigung.
Die BamS veröffentlich in diesem Zusammenhang u.a. auch den Screenshot eines privaten Chatverlaufs. Auch dies ist rechtswidrig.
Die Veröffentlichung und Verbreitung privater SMS Nachrichten oder privater Kommunikationsverläufe stellen ebenfalls einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Herrn Immel dar.
Private Kommunikationsinhalte, gleichgültig in welche äußeren Erscheinungsformen sie gekleidet werden sind Ausfluss der Persönlichkeit des Verfassers (BGHZ 13, 334 – 341). Dem Verfasser einer Nachricht steht daher selbstverständlich das Recht zu, in eigener Person darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden dürfen (OLG Hamburg, Az. 7 W 5/13 vom 04.02.2013 Juris Rz. 1).
Steht die Kommunikation per SMS zur Beurteilung an, ist zudem hervorzuheben, dass diese Kommunikation dialogisch zwischen einzelnen Kommunikationspartnern stattfindet.
„Bei der öffentlichen Wiedergabe eines privaten SMS Schriftwechsel steht neben dem Zugriff auf einen schriftlich fixierten Gedankeninhalt ‚vor allem die Darstellung des persönlichen Zustandes ihres Verfassers‘ im Vordergrund.“
„Dies gilt umso mehr, wenn bei einer Veröffentlichung von SMS-Nachrichten diese nicht nur wörtlich wiedergegeben werden, sondern wenn zugleich die Veröffentlichung mit einer Ablichtung des Bildschirmes eines Smartphones verbunden ist. Da Nachrichten bei den verwendeten Smartphones in einer Dialogform abgebildet werden, bei der auf der rechten bzw. linken Bildschirmseite die jeweiligen Mitteilungen der verschiedenen Personen erkennbar unterschiedlich angezeigt werden, verfestigt sich der Eindruck einer unmittelbaren Wiedergabe einer persönlichen und vertraulichen Kommunikation. Die Nachrichten des Versenders verlieren damit im gesteigerten Maße den Charakter schriftlicher Mitteilungen und entpuppen sich für den Betrachter als persönlich gesprochene Aussage der Beteiligten. So wird z. B. durch die Versendung von vielen hintereinander folgenden Nachrichten der Eindruck, der zum Zeitpunkt des Versendens gegebenen emotionalen Erregtheit des Verfassers visualisiert. Das gleiche geschieht auch dadurch, dass – wie es jedem Versender von SMS–Nachrichten schon passiert sein dürfte – in der Situation der spontanen Kommunikation im geringerem Maße auf die Form der Nachricht und insbesondere auf deren Autografie geachtet wird, als es etwa bei Emails oder Briefen der Fall ist.“ (Kummermehr/Peter a.a.O S. 121)
Entsprechend weist die BamS den Leser darauf hin: „(Schreibweise der Konversation eins zu eins übernommen. d. Red.)“
Die Veröffentlichung des Inhaltes der SMS-Kommunikation ist ebenfalls rechtswidrig. Nach hiesiger Einschätzung stehen Eike Immel Unterlassungsansprüche wie auch Geldentschädigungsansprüche gegen die BamS zu. Sofern Inhalte geschildert werden, die nicht der Wahrheit entsprechen, kommen Berichtigungsansprüche hinzu.