Verzockt Teil II: Axel Springer stolpert über schlimme Nazi Vorwürfe. Rechtsanwalt Damm setzt 25.000,00 Euro Geldentschädigung durch.
Unser Mandant ist Magistratsdirektor in der Stadtverwaltung einer hessischen Gemeinde, die von einer ehemaligen Mitarbeiterin u.a. auf Zahlung von Schmerzensgeld verklagt wurde. Zur Begründung hat die Mitarbeiterin behauptet, unser Mandant habe sie so schwer gemobbt und gedemütigt, dass die hieraus resultierenden Verletzungen nur durch Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 51.000,00 Euro kompensiert werden könne. Um plausibel zu machen, wie schwerwiegend sie von unserem Mandanten angeblich gemobbt worden sei, hat sie im Arbeitsgerichtsprozess gegen unseren Mandanten so bezeichnete, schwere „Nazi-Vorwürfe“ erhoben.
Diese „Nazi-Vorwürfe“ hat Axel Springer willig ungeprüft aufgegriffen und sie sowohl in der BILD wie auch unter www.bild.de , jeweils unter namentlicher Nennung und unter Veröffentlichung von Bildnissen unseres Mandanten, unkritisch der Öffentlichkeit präsentiert.
In dem Beitrag, hat die BILD unter dem titelgebenden Schlagwort „Schlimme Nazi-Vorwürfe gegen …..“, schwerste, gravierend ehrverletzende Vorwürfe gegen unseren Mandanten erhoben. So soll unser Mandant „Untergebene“ bis zum Zusammenbruch gequält und menschenverachtende Aussagen über Behinderte gemacht haben. Er soll gegenüber der ehemaligen Mitarbeiterin von „Scheiß-Integrationskindern“ gesprochen und gesagt haben, früher seien „Mongos im KZ vergast worden“. Eine kleinwüchsige Mitarbeiterin soll er als „Mongo betitelt und der ehemaligen Mitarbeiterin gesagt haben, sie solle ihr Kind doch in ein Heim geben oder es an Zigeuner verkaufen.
Das Landgericht Frankfurt hat unter dem Az.: 2-03 O 182/17, am 16.05.2019, Axel Springer zur Unterlassung von 9 Äußerungen sowie zur Unterlassung von 2 Bildnissen von unserem Mandanten verurteilt. Ferner hat das Landgericht Frankfurt Axel Springer und die zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch existierende BILD GmbH & Co.KG, die den Onlineauftritt unter www.bild.de zu verantworten hatte, zu 20.000,00 Euro bzw. zu 5.000,00 Euro Geldentschädigung verurteilt.
In seiner Entscheidung hat das Landgericht zunächst die Feststellung vorangestellt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Äußerungen um Tatsachenbehauptungen handelt, die als etwas tatsächlich Geschehenes der objektiven Klärung und insofern dem Beweise zugänglich ist.
Die Beweislast traf BILD.
Da vorliegend bemerkenswert ehrverletzende Darstellungen in Streit standen, musste BILD beweisen, dass die Behauptungen der Wahrheit entsprachen. Obwohl das Landgericht Frankfurt, im Rahmen einer insgesamt mehrtägigen Beweisaufnahme auch die Mitarbeiterin als Zeugin gehört hat, auf deren Aussage sich die BILD maßgeblich gestützt hat, konnte BILD den Beweis nicht führen. Es stellte sich nämlich heraus, dass die Mitarbeiterin gelogen hatte. Das Landgericht Frankfurt glaubte der Zeugin kein Wort und stufte sie sogar als unglaubwürdig ein. Die Angaben der bemerkenswert belastungseifrigen Zeugin „sind in einer Vielzahl von Punkten durch mehrere Zeugen glaubhaft wiederlegt worden“, so das Verdikt der Frankfurter Richter.
Mit Blick auf Äußerungen, wo die Unwahrheit der Darstellung ebenso wenig festgestellt werden konnte wie die Wahrheit der Darstellung (non liquet), prüfte das Landgericht, ob sich BILD insoweit auf den Grundsatz der Wahrnehmung berechtigter Interessen stützen könne. In einem solchen Fall, scheidet ein Unterlassungsanspruch nämlich aus. Auf diesen Grundsatz kann sich allerdings nur derjenige berufen, der sorgfältig recherchiert hat. D.h. es muss ein Mindestbestand an solchen Tatsachen vorhanden sein, die für den Wahrheitsgehalt der Darstellung sprechen. Ganz wichtig: Der Beitrag darf nicht vorverurteilend sein. Außerdem muss dem Betroffenen Gelegenheit gegeben worden sein, sich zu den Vorwürfen zu äußern.
Das Landgericht attestierte BILD unverhohlen, dass nicht einmal ein Mindestbestand an Beweistatsachen vorhanden war, die für den Wahrheitsgehalt der Behauptung sprechen würden. Das Landgericht Frankfurt führte in seiner Entscheidung insoweit aus, dass die Vorwürfe nur auf einer einzigen Quelle beruhten, nämlich auf der Aussage der ehemaligen Mitarbeiterin, die diese Vorwürfe in einem Arbeitsgerichtsprozess eingeführt hat, in der es ihr darum ging, ein besonders hohes Schmerzensgeld zu generieren. Ferner wurde ausgeführt, das BILD es nicht für notwendig befunden hatte, diese Zeugin zu befragen. Vielmehr hat BILD es genügen lassen, die zersetzend ehrverletzenden Inhalte, die im Arbeitsgerichtsprozess lediglich mal vorgetragen wurden, einfach zu übernehmen. Mit der gängigen Rechtsprechung sah das Landgericht in der Übernahme der Vorwürfe aus einer einzigen Quelle keine hinreichenden Belegtatsachen. Schließlich wurde vom Landgericht ferner herausgearbeitet, dass auch unserem Mandanten keine Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Zwar sei davon auszugehen, dass der Journalist versucht habe, unseren Mandanten zu sprechen und, dass er auch mehrfach bei der Dienststelle unseres Mandanten angerufen habe, um unseren Mandanten zu erreichen. Das Gericht folgte insoweit allerdings der Rechtsauffassung, dass diese Bemühungen in Ansehung der Schwere der Vorwürfe nicht ausreichend gewesen seien. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil ein besonderer Aktualitätsdruck nicht erkennbar gewesen sei. Aber auch deswegen, weil bei der Vielzahl derart gravierender Vorwürfe, es im Zweifel sogar erforderlich gewesen wäre, unserem Mandanten Gelegenheit zu geben, schriftlich Stellung zu nehmen. Schließlich ist das Gericht unseren Ausführungen auch insoweit gefolgt, als die Berichterstattung nicht hinreichend hat deutlich werden lassen, dass es sich lediglich um einen Verdacht gehandelt habe und die Berichterstattung insoweit vorverurteilend gewesen sei. Im Ergebnis muss festgehalten werden, dass nach Auffassung des Landgerichts keines der Merkmale erfüllt war, die es bedurft hätte, um von einer zulässigen Verdachtsberichterstattung ausgehen zu können.
Das Landgericht Frankfurt hat die Veröffentlichung der Bildnisse unseres Mandanten unter Beachtung des abgestuften Schutzkonzeptes ebenfalls verboten. Im Rahmen der gebotenen Abwägung hat es ausgeführt, dass die mehr als 15 Jahre alten Fotos nicht kontextneutral seien und sich der streitgegenständliche Beitrag nicht mit den abgebildeten Bildinhalten befasste.
Schließlich hat das Landgericht unserem Mandanten wegen der Veröffentlichung in der Printausgabe der BILD wie auch wegen der Veröffentlichung unter www.bild.de eine Geldentschädigung in Höhe von zusammen 25.000,00 Euro verurteilt. Ausschlaggebend hierfür war der enorm schwerwiegende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht unseres Mandanten. Durch die Berichterstattung wurden unserem Mandanten schwerwiegendes Fehlverhalten und eine erhebliche Amoralität zugeschrieben. Ferner hat das Landgericht der BILD schwerwiegendes Verschulden attestiert und ausgeführt:
„Die Beklagten haben vorliegend in schwerwiegender Art und Weise gegen die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung und die den Beklagten obliegenden journalistischen Sorgfaltspflichten verstoßen, indem sie in vorverurteilenden Weise, ohne hinreichende Gelegenheit zur Stellungnahme, unter Missachtung des Wechselbezugs von Dichte des Verdachts auf der einen Seite und Art und Weise der Berichterstattung auf der anderen Seite […] über den Kläger berichtet haben.“. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.