Ist es OK, wenn die BILD das Foto von Sabine K. veröffentlicht, die an einer Berufsschule in NRW von einem Schüler erstochen wurde? Natürlich nicht!
Die BILD berichtet unter der Überschrift „Weil er für einen Tag Schulverweis bekam Nach der 8. Stunde erstach Sinan (17) seine Lehrerin“ über einen Berufsschüler, der die Deutschlehrerin Sabine K. erstochen hat. Der Beitrag ist mit einem Foto von Sabine K illustriert, worauf sie inmitten weiterer Personen zu sehen ist.
Die Veröffentlichung des Fotos ist rechtswidrig und begründet Unterlassungsansprüche.
Grundsätzlich ist die Veröffentlichung eines Fotos, auf dem eine Person abgebildet ist, nur zulässig, wenn die Person, nach deren Tode deren Angehörigen, in die Veröffentlichung einwilligt. Liegt eine Einwilligung nicht vor, wovon vorliegend ausgegangen wird, kann die Veröffentlichung ausnahmsweise auch ohne Einwilligung zulässig sein, wenn der Gegenstand der Berichterstattung von zeitgeschichtlichem Interesse ist. Die Zulässigkeit hängt in diesem Fall von einer Interessenabwägung statt. Die Rechtsprechung spricht insoweit vom abgestuften Schutzkonzept. Die BILD ignoriert im Rahmen der von ihr zu verlangenden Abwägung die überragende Bedeutung, die dem Opferschutz in der Berichterstattung zukommt. Das Opfer betritt – anders als der Straftäter – nämlich nicht freiwillig die „Bühne der Öffentlichkeit“. Auch gerät die Pressefreiheit nicht ernsthaft ins Wanken, wenn die Identität des Opfers geschützt bleibt. Der EGMR hat 2012 zu Recht darauf hingewiesen, dass durch den Opferschutz die Presse natürlich nicht gehindert ist „über die Tat in allen Einzelheiten zu berichten“. Bei der Abwägung ist von erheblicher Bedeutung, welche Stellung dem betroffenen Opfer zukommt. Sofern das Opfer keine Personen des öffentlichen Lebens war, wovon im Falle der Berufsschullehrerin zweifellos auszugehen war, so „kann nicht angenommen werden, dass die Kenntnis der Identität dieser Person für das Verständnis der Besonderheiten dieses Falles wesentlich war“ (EGMR vom 17.01.2012, Az.: 33497/07).
Im Falle der Berufsschullehrerin kommt der bildlichen Identifizierung ihrer Person folgerichtig kein informativer Mehrwert zu. Der EGMR weist in einem Fall, der hinsichtlich seiner dogmatischen Problematik vergleichbar mit dem hiesigen Fall ist darauf hin, dass die dortige Beschwerdeführerin trotz des Verbots der identifizierenden Berichterstattung „nicht daran gehindert […] war, über alle Einzelheiten des Falles C zu berichten, sondern nur daran, ihre Identität zu offenbaren“. Desgleichen ist der BILD auch in diesem Fall zuzurufen und eine andere Einschätzung vorliegend nicht vertretbar. Die Veröffentlichung des Fotos der getöteten Lehrerin war rechtswidrig.