Unser Mandant, ein kommunaler Spitzenverband, hat uns um Handlungsempfehlung zum Umgang mit einer Presseanfrage einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gebeten, die an eines der Mitglieder unseres Mandanten adressiert war und folgenden Inhalt hatte:
„(…) wir recherchieren über die hessische Fleischwirtschaft. Angesichts der letztjährigen Diskussionen um (…) und der aktuellen Berichte über Hygienemängel in Schlachthöfen von Nachbarländern bedarf es keiner weiteren Ausführungen zu dem Umstand, dass diese Recherche in besonderem öffentlichem Interesse liegt. (…) In diesem Zusammenhang sind Erkenntnisse Ihrer Lebensmittelüberwachung über die Firma (…) seit 2015 von Interesse. Bitte geben Sie im Wege der Behördenpflicht nach § 3 Landespressegesetz Aufschluss über Ihre Erkenntnisse. (…)“
Dieses Ersuchen wirft die Frage auf, ob und unter Beachtung welcher gesetzlicher Grundlagen durch die Behörde Auskunft zu erteilen war. Hierzu sowie zu presserechtlichen Auskunftsansprüchen im Allgemeinen einige Anmerkungen:
1.)
Der Auskunftsanspruch der Presse resultiert verfassungsrechtlich aus der Pressefreiheit gemäß Art. 5 GG, die, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ausführt, „für die freiheitliche Demokratie schlechthin konstitutiv ist“ und die gesamte Tätigkeit der Presse umfasst, von der Beschaffung der Informationen, über deren Aufbereitung, bis hin zur Archivierung (vgl. BVerfG NJW 2012, 754). Der in den Landespressegesetzen normierte Auskunftsanspruch (in Hessen: § 3 Abs. 1 LPG) steht daher nicht zur Disposition. Insoweit wird von einem „Mindeststandart an Informationsansprüchen“ gesprochen, der den Medien zugestanden werden muss und der die Behörden verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen (vgl. zuletzt VGH Kassel, NVwZ-RR 2020, 445).
Daneben wird der Auskunftsanspruch aus den Landespressegesetzen zusätzlich durch selbständige, nicht pressespezifische Normen ergänzt. Diese, nicht pressespezifischen Normen eröffnen jedermann die Möglichkeit, von Behörden Auskünfte in bestimmten Bereichen zu fordern. Hierzu gehört u.a. das Verbraucherinformationsgesetz des Bundes aus dem Jahre 2007 (VIG), das u.a. auf Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (kurz „LFGB“) Anwendung findet (vgl. § 1 VIG) und deshalb bei Presseanfragen für den Bereich der Lebensmittelüberwachung – wie hier – in den Blick zu nehmen ist. Nach dem VIG soll es allen Verbrauchern („Jedermann“) möglich sein, von den jeweils zuständigen Behörden Informationen über bestimmte Produkte der Lebensmittelindustrie zu erfragen. Auf diese Weise ist es jedermann grundsätzlich möglich, Informationen über deren Beschaffenheit, den Herstellungsbedingungen, deren Zusammensetzung oder darüber zu erhalten, ob Untersuchungsergebnisse vorliegen und zu welchen Ergebnissen diese Untersuchungen gelangt sind. Diese Regelungen stehen selbständig neben den Landespressegesetzen, ohne dass sich aus ihnen Einschränkungen der dort geregelten Auskunftsansprüche ableiten ließen. Im Gegenteil. Soweit diese Gesetze Ansprüche begründen, die über diejenigen nach den Landesprozesspressegesetzen hinausgehen, können sich auch die Medien auf sie berufen (vgl. OVG Münster AfP 2004, 475 und OVG Münster AfP 2010, 302).
2.)
Ist nach den vorstehenden Grundsätzen der presserechtliche Auskunftsanspruch von einem weiten Verständnis geprägt, so ist auch dieser Anspruch bestimmten Schranken unterworfen. Kollidiert danach ein bestehender Auskunftsanspruch mit Rechten Dritter, so sind im Wege der praktischen Konkordanz die betroffenen Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind das jeweils konkret infrage stehende Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und das Gewicht derjenigen schutzwürdigen privaten Belange zu beachten, die der Auskunftserteilung ganz oder teilweise entgegenstehen können. Im Hessischen Landespressegesetz ist diese Systematik in § 3 Abs. 1 Nr. 2 normiert.
3.)
Bezogen auf die vorliegende Presseanfrage waren hierbei u.a. folgende Aspekte zu berücksichtigen:
Auf Seiten der Lebensmittelindustrie waren die schutzwürdigen Betriebs-/ und Geschäftsgeheimnisse sowie das Recht des jeweils betroffenen Unternehmens auf dessen sozialen Geltungsanspruch (Unternehmenspersönlichkeitsrecht) in die Abwägung zu stellen.
Hingegen war zu Gunsten des öffentlichen Informationsinteresses insbesondere zu berücksichtigen, dass das Thema Hygienemängel und Lebensmittelsicherheit in Fleischbetrieben von nachhaltiger und überragender Bedeutung ist. Dies spiegelt sich u.a. darin wider, dass die Lebensmittelüberwachung in dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFBG) eine gesetzliche Regelung erfahren hat, mit der das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher mit Blick auf den Warenverkehr u.a. mit Lebensmitteln, Kosmetika und Futtermitten vor Gesundheitsgefahren sowie Irreführung und Täuschung zu schützen und dessen oberstes Gebot die Lebensmittelsicherheit darstellt. Vor diesem Hintergrund konnte ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass an diesem Thema ein großes öffentliches Informationsinteresse besteht und Fragen zu den Ergebnissen der Lebensmittelüberwachung in einzelnen Betrieben sowie dazu, ob und in welchem Umfange es ggf. sogar zu Beanstandungen gekommen ist, von hohem öffentlichen Informationsinteresse getragen sind.
In diesem Zusammenhang war ferner zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) die Wertung getroffen hat, dass auch unterhalb der Schwelle zur Gesundheitsgefährdung bei „festgestellten nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen u.a. des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches“ ein besonderes, legitimes Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit an der Bekanntgabe derartiger Erkenntnisse besteht und dementsprechend auch „Jedermann“ Anspruch auf freien Zugang zu diesen Informationen hat. Diese Wertung muss auch bei der Abwägung im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruches berücksichtigt werden, wenn – wie hier – Informationen betreffend Erkenntnisse der Lebensmittelüberwachung begehrt werden.
Schließlich war zu berücksichtigen, dass gerade Wirtschaftsunternehmen es in besonderem Maße hinzunehmen haben, dass die Öffentlichkeit über etwaige Missstände informiert wird. Hiermit wäre es nicht vereinbar, den Auskunftsanspruch unter Hinweis auf etwaige Ungereimtheiten zu versagen. Dies gilt gerade für den Bereich der Lebensmittelhygiene. Hiermit korrespondiert, dass der Gesetzgeber in § 40 Abs. 1 a LFGB eine Regelung geschaffen hat, wonach die Behörde bei hinreichendem Verdacht von lebensmittel- und futtermittelrechtlichen Missständen in Betrieben verpflichtet ist, die Öffentlichkeit unter Nennung des Betriebes zu informieren. Die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG schützen ein am Markt tätiges Unternehmen, das sich der Kommunikation und damit auch der Kritik der Qualität seiner Produkte oder eines Verhaltens aussetzt, nicht vor diesbezüglichen „Imageschäden“ und dadurch bedingten Umsatzeinbußen. Insbesondere Art. 12 GG vermittelt kein Recht des Unternehmens, nur so von anderen dargestellt zu werden, wie es gesehen werden möchte oder wie es sich und seine Produkte selber sieht.
Im Ergebnis war festzustellen, dass der Auskunftsanspruch auch unterhalb der Schwelle der Gesundheitsgefährdung zugesprochen wird und die Rechtsprechung – insbesondere im Bereich der Lebensmittelhygiene – insgesamt durch den Aspekt eines überragenden Verbraucherschutzes geprägt ist.
4.)
Auf welche Art und Weise die Auskunft erteilt wird, liegt im Ermessen der Behörde. Ein Anspruch auf Akteneinsicht bestand vorliegend nicht. Grundsätzlich ist die Zusammenstellung von Einzelinformationen ausreichend. Die Auskunft muss mit Blick auf das konkrete Auskunftsverlangen vollständig erteilt werden und der Wahrheit entsprechen, wovon auszugehen ist, wenn die wesentlichen Fakten vollständig mitgeteilt werden. In welchem Maß die Auskunft „erschöpfend“ zu sein hat, richtet sich jeweils nach den konkreten Umständen.
Allerdings sind im Falle noch nicht bestandskräftiger bzw. nicht rechtskräftig abgeschlossener (Verwaltungs-)Verfahren wegen etwaiger lebensmittelrechtlicher Verstöße die besonderen Sorgfaltsstandards der Verdachtsberichterstattung einzuhalten. Im Rahmen der Auskunft ist daher auf eine ausgewogene Darstellung etwaiger Vorwürfe zu achten (Stichwort: keine Vorverurteilung). Es muss u.a. darauf hingewiesen werden, wenn etwaige Verfahren noch nicht rechtskräftig sind und wie der aktuelle Verfahrensstand ist. Dabei ist auch darüber zu informieren, wenn das betroffene Unternehmen die etwaigen Vorwürfe bestreitet.